Erfurt - Angermuseum

Christus als guter Hirte

Bereits aus vor- und frühchristlicher Zeit stammt die Darstellung des Hirten, der ein verlorenes Schaf wiedergefunden hat und auf seinen Schultern nach Hause trägt. Der Papst als Oberhirte der katholischen Kirche trägt anstelle des Lamms das um die Schulter gelegte Pallium (eine aus der Wolle von zwei Lämmern gewebte Stola) als Insignie des Primats. Jesus Christus als oberster Hirte verkündet durch das Johannesevangelium (Joh 10, 11.14) selbst: "Ich bin der gute Hirte". Das Lamm in der christlichen Kunst steht außerdem für das unschuldig-sündenfreie Geschöpf Gottes und gleichzeitig – als Opfertier – für die Person Jesus, der durch sein Opfer Sünde und Tod überwindet, und wird in der christlichen Kunst oft an dessen Stelle gezeigt.

Cranach folgt mit seiner Darstellung einem traditionsreichen Bildtypus, der durch den knappen Bildausschnitt und die innige Verbindung zwischen Hirte, Lamm und Betrachter eine Konzentration
auf die wesentliche Aussage eines zutiefst menschlichen Hirten erfährt. Auch wenn das Thema des guten Hirten ein Hauptanliegen Luthers verbildlichte, ist es innerhalb des Gesamtwerkes nur einmal vertreten. Lediglich ein Epitaph für das Ehepaar Drachstedt in der Wittenberger Stadtkirche greift das Motiv im Jahr 1573 nochmals auf.

Die kleine Tafel aus Rotbuchenholz trägt das cranachsche Werkstattzeichen: eine Schlange mit gesenkten Vogelschwingen, die einen mit Rubin besetzten Goldring im Maul trägt. Diese Form des Signets ist seit 1536 nachweisbar und wurde nach Übernahme der Werkstatt durch den gleichnamigen Sohn im Jahr 1550 weiterhin verwendet.

Die für den privaten Gebrauch bei der Andacht gefertigte Tafel ist Teil einer Reihe von Heiligendarstellungen, die ihre Zusammengehörigkeit durch exakte Übereinstimmung der Tafelmaße sowie die maltechnische und stilistische Ausführung dokumentieren. Gleich zwei Tafeln aus dieser Serie verweisen durch ihre Aufschrift in das Jahr 1547: Es handelt sich um die »Madonna mit Kind« im Buckingham Palace sowie einen »Paulus am Briefpult« in Privatbesitz. Es kann also davon ausgegangen werden, dass auch der gute Hirte in diesem Zeitraum entstanden ist Alle drei Werke zeichnen sich durch eine kontrastreiche Gestaltung
von Details wie Wimpern und Haaren aus. (siehe Abb. Paulus, dat. 1547)

Im Jahr 1903 gelangte das Täfelchen in den Besitz des Angermuseums, nachdem es seit 1750 im Kunst- und Naturalienkabinett des evangelischen Waisenhauses verwahrt worden war, das 1872 bei einem Brand schwer beschädigt wurde. In dieser Zeit erlebte das Bild des guten Hirten eine romantisierende Renaissance durch die Künstlerschaft der Nazarener, die nach einer Erneuerung der Kunst im Geiste der Anhängerschaft 
Jesu strebten. So prägte Jesus inmitten seiner Lämmerherde bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts als "Schlafzimmerbild" die Vorstellung von einer heilen, friedlichen Welt.

Hier finden Sie dieses Werk:

Angermuseum
Anger 18
99084 Erfurt

weitere Informationen

Eckdaten zum Werk:

Werkstatt Lucas Cranach d. Ä., um 1547, Mischtechnik auf Holz (Rotbuche?)

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