Cranach-Magazin

Aktuelles aus der Cranach-Forschung

Cranach-Werke in den Gotteshäusern der Mitteldeutschen Landeskriche

Interview mit Dr. Bettina Seyderhelm

In mitteldeutschen Kirchen befinden sich zahlreiche Cranach-Werke. Ein Gespräch mit Dr. Bettina Seyderhelm, die sich als Fachreferentin für kirchliches Kunstgut um die Sicherung und Restaurierung dieser Kunstwerke kümmert.

Cranach-Magazin: Was sind für Sie als Fachreferentin für kirchliches Kunstgut Ihre Aufgaben in Hinblick auf Cranach?

Bettina Seyderhelm: Die Bewahrung und Sorge für die Pflege der Altäre und Tafeln der Cranach-Werkstatt und ihres Umkreises in den Kirchen gehören, ebenso wie für zahlreiche andere Kunstwerke, zu meinen Aufgaben. Sicherungs- und Konservierungsmaßnahmen werden, soweit die finanziellen Mittel es erlauben, seit Jahren durchgeführt. Für umfangreichere Aufgaben, wie die Bearbeitung des großen Bestandes in der Stadtkirche Wittenberg, gilt es nun, das Cranach-Jahr 2015 und die Reformationsdekade zu nutzen.

CM: Mit wem arbeiten Sie zusammen?

BS: Wir arbeiten u. a. mit den betroffenen Landesämtern für Denkmalpflege in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen, einem international zusammengesetzten Beirat, Fachrestaurator/Innen aus verschiedenen Institutionen, freien Restaurator/Innen und vielen anderen zusammen.

CM: Was haben Sie bisher erreicht?

BS: Einige Tafeln und Altäre sind bereits konserviert. Für weitere Werke, darunter die Tafeln in der Stadtkirche in Wittenberg, konnten gründliche restauratorische Voruntersuchungen mit naturwissenschaftlicher Begleitung durchgeführt werden. Diese Untersuchungen werden ausschließlich unter konservatorischen Gesichtspunkten geplant und durchgeführt. Die Vorbereitungen bilden im kommenden Jahr die Grundlage für notwendige Konservierungsarbeiten, die wir im Vorfeld bereits mit einem breiten Kreis von Fachleuten abstimmen konnten. Für diese Unterstützung sind wir sehr dankbar.

Die wissenschaftliche Arbeit der kunst- und kulturwissenschaftlichen Erforschung der Werke zeigt ebenfalls schon interessante Ergebnisse, die Ende 2014 zusammen mit den Erkenntnissen aus der restauratorischen Arbeit in einem Kolloquium der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

CM: Welche neuen Projekte verfolgen Sie? Was planen Sie für das Cranach-Jahr 2015?

BS: Die Arbeit läuft kontinuierlich nach Plan weiter. Die Konservierungsarbeiten liegen uns besonders am Herzen. Das öffentliche Interesse ist groß. Wir werden uns daher mit unserem Forschungs- und Restaurierungsprojekt im Jahr 2015 auch an den in Wittenberg und Weimar geplanten Cranach-Ausstellungen beteiligen. In der Wittenberger Stadtkirche St. Marien sind dann nach der Restaurierung der große Reformationsaltar und dazu zahlreiche Werke aus der Werkstatt Lucas Cranachs des Jüngeren zu sehen. Die Gemeinde der Herderkirche in Weimar wird der Öffentlichkeit 2015 den dortigen Reformationsaltar präsentieren.

CM: Für das Tafelbild der Kreuztragung aus Pratau im Kreis Wittenberg konnten Sie gerade die Entwurfszeichnung im Pariser Louvre nachweisen. Wo finden sich in der Region weitere Cranach-Werke und wie gut ist dieser Bestand wissenschaftlich aufgearbeitet?

BS: Im Gebiet der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland finden sich noch eine Reihe weiterer Gotteshäuser, in denen Altäre und Einzeltafeln aus der Cranach-Werkstatt liturgisch genutzt und der Öffentlichkeit präsentiert werden. Zu nennen sind hier neben den schon erwähnten beispielsweise die Kirchen in den Städten Neustadt/Orla, Aschersleben, Naumburg, Torgau und Kemberg. Für sie werden, ebenso wie für die Werke in Dorfkirchen wie Kade, Dietrichsdorf oder Dabrun umfangreiche Sicherungsmaßnahmen vorgenommen.

Die wissenschaftliche Aufarbeitung läuft. Lange hat man, v. a. bei der Katalogisierung der Werke Lukas Cranachs d. Ä., manchen Altar in der Forschung als „Werkstattarbeit“ abgetan und in der Folge viel zu wenig beachtet. Das ist schade, denn es hat den Blick für manche Erkenntnis verstellt. Ein Überblick über die Forschung der letzten rund 150 Jahre zeigt eigentlich, dass sich viele Fachleute, auch hinsichtlich einer großen Zahl von Bildern in den Museen, des Anteils der Werkstatt sehr bewusst waren. Das ist angesichts der Menge der überlieferten Werke ohnehin kaum anders denkbar. Die Mitarbeit der Werkstatt an heute hochgeschätzten Werken ist nicht nur bei Cranach sondern auch bei anderen Meistern wie etwa Peter Paul Rubens vorauszusetzen.

CM: Frau Dr. Seyderhelm, wir danken für dieses Gespräch!

Dr. Bettina Seyderhelm
betreut als Kirchenkonservatorin die Kunstgegenstände in rund 2.000 Kirchen der Mitteldeutschen Landeskirche in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg. 1999 konnte sie eine Kirchliche Stiftung Kunst- und Kulturgut gründen, durch deren Hilfe schon viele dringend restaurierungsbedürftige Kulturgüter gerettet wurden. Mit Ausstellungen in Magdeburg, Wittenberg, Quedlinburg und sogar Tokio wurde weit über die Grenzen Mitteldeutschlands auf die hohe Qualität und Schönheit der Kunst in den Kirchen aufmerksam gemacht. Aktuell wird an einem interdisziplinären Forschungs- und Restaurierungsprojekt für die mitteldeutschen Cranach-Altäre gearbeitet.