Cranach-Magazin

Aktuelles aus der Cranach-Forschung

Falsche Schlangen

Dr. Sebastian Dohe über gefälschte Cranachgemälde in Weimar

Erst die Signatur macht ein Kunstwerk echt – davon sind wir heutzutage tief überzeugt. Und Lucas Cranach d. Ä. fand eine eingängige Signatur, die nicht umsonst zum Logo von Wege zu Cranach gewählt wurde: die geflügelte Schlange mit einem Ring im Maul. Doch hat uns die Forschung der letzten Jahre aufgeklärt, dass es sich dabei nicht um die Signatur im Sinn eines modernen Künstlers handelt, sondern eher um ein Markenzeichen – nicht nur der Meister, auch Werkstattmitglieder setzten zum Abschluss einer Arbeit die Schlange auf ein Kunstwerk als Zeichen des „Markenproduktes“ Cranach. Tausende Objekte verließen so markiert die Cranachwerkstatt. Und so alt dieses Konzept der Marke ist, so alt ist auch das Konzept der Markenfälschung.

Davon zeugen heute in den Museen der Klassik Stiftung Weimar mehrere Objekte. Da ist zum Beispiel ein Miniaturporträt: Es zeigt in einer typisierten Pose einen jungen Mann in prunkvoller Rüstung, die Rechte auf einen federgeschmückten Helm gelegt und die Linke mit Griff zu einem Degen. Ein weißer Spitzenkragen schmückt seinen Hals und seine Rüstung ist kostbar mit Ornament bedeckt. Alles an seinem Erscheinungsbild, angefangen von der Kleidung bis zur Bartmode, weist auf das fortgeschrittene 16. Jahrhundert, etwa um 1580. Es könnte sich um einen spanischen Befehlshaber handeln, oder allgemeiner um einen Adligen, der sich standesgemäß in einer Rolle als Feldherr porträtieren ließ. Vielleicht diente das Porträt für ein Stammbuch eines Adelsgeschlechts.

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Unbekannter Künstler, Porträt eines Mannes, um 1580, Klassik Stiftung Weimar, Direktion Museen, Inv. G 1735

Aber mit den Lebzeiten von Lucas Cranach d. Ä. hat es nichts zu tun – doch das behauptet die Signatur am oberen Rand, oben rechts die Cranachschlange mit aufgestellten Flügeln und eine Datierung oben links auf das Jahr 1516. Wer wollte hier seinen Zeitgenossen glaubhaft machen, es handele sich um ein Porträt aus der Hand von Lucas Cranach d. Ä.?

In Weimar ist es nachweisbar seit 1837, irgendwann zuvor muss es als falscher Cranach deklariert worden sein – aber sicher nicht mehr im 16. Jahrhundert, als die Absicht leicht zu identifizieren gewesen wäre. Dagegen sind Miniaturen, die zumindest in der Vorlage auf Lucas Cranach d. J. zurückgeführt werden können, ebenfalls in Weimar überliefert – die einerseits zeigen, wie die Signatur im Jahr 1561 in einer Miniatur ausgesehen hätte, und auch erahnen lassen, welche Vergleichsbeispiele ein Fälscher grundsätzlich vor Augen gehabt haben mag.

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Nach Lucas Cranach d. J., Porträt von Herzog Johann Friedrich II. der Mittlere von Sachsen-Weimar, 1561, Klassik Stiftung Weimar, Direktion Museen, Inv. G 255

Noch abwegiger für das moderne Auge ist die Darstellung einer büßenden Maria Magdalena mit Kruzifix und Totenkopf – ein häufiges und beliebtes Motiv in der Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts, in Deutschland ebenso wie in den Niederlanden oder Italien. Winzig klein ist oben rechts eine Cranachschlange mit der Datierung 1524 aufgetragen. Aber dass dieses Gemälde etwas mit Cranach zu tun haben soll, widerspricht unserem heutigen Empfinden sehr, Stil und Ausdruck sind gänzlich verschieden von allem, was wir halbwegs mit der Cranachwerkstatt in Verbindung bringen. Es wirkt ebenfalls eher wie eine Arbeit vom Ende des 16. Jahrhunderts oder noch später, und es ist ganz unklar, ob die Cranachschlange hier schon zum Entstehungszeitpunkt oder nicht ebenfalls erst Jahrzehnte oder Jahrhunderte später aufgetragen wurde.

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Unbekannter Künstler, Büßende Maria Magdalena, Ende 16./Anfang 17. Jh., Klassik Stiftung Weimar, Direktion Museen, Inv. G 208

So absurd die Fälschung auf uns wirken mag, sie birgt dennoch wertvolles Wissen. Denn wer auch immer die falsche Signatur und Datierung auftrug, muss sich davon Erfolg versprochen haben, sei es, um einen Verkaufspreis zu erhöhen oder das Prestige seiner Sammlung zu steigern. Damit offenbart das Objekt etwas von den Erwartungen einer bestimmten Zeit: Jemand hätte das Gemälde mit Cranach in Verbindung bringen können, weil ihm und seinen Zeitgenossen barbusige Frauendarstellungen mit stark akzentuierten Rundungen vor dunklem Hintergrund als besonders typisch für Cranach vorgekommen sind – das zumindest hat das Motiv gemeinsam mit den vielen Lucretia- und Venusdarstellungen, die von Cranach und seiner Werkstatt überliefert worden sind. Damit kann uns selbst eine auf den ersten Blick absurd wirkende Fälschung immer noch viel darüber erzählen, welche Werte Menschen zu unterschiedlichen Zeiten mit Cranach und seiner Kunst verbanden.