Kronach - Fränkische Galerie
Christus und die Ehebrecherin
Entsprechend dem Gesetz des Moses war Ehebruch mit Steinigung zu ahnden. Nach der Theologie des Paulus und Martin Luthers kann der Mensch aber nicht durch das Gesetz, sondern allein aus der Gnade Gottes gerettet werden. Christus entwaffnet die Kläger, indem er dazu auffordert, dass derjenige den ersten Stein auf die Ehebrüchige werfen solle, der selbst ohne Sünde sei.
Cranach zeigt links die Gruppe der Ankläger. Ihre Physiognomien sind bis ins Karikaturhafte überzeichnet, ihre Gesichter teils von Narben durchzogen, die Haare ungekämmt. Der seltsam zusammengewürfelte Kleiderputz und die in diesem Kontext überraschende Rüstung runden die negative Charakterisierung ab. Zwei der Männer tragen große Felsbrocken in ihren Händen, weitere Wurfgeschosse hält der Soldat in seiner Kopfbedeckung bereit.
In der Mitte folgt die Gestalt Christi. Schon von ihrer schieren Größe her scheint sie alle anderen Figuren zu überragen, ähnlich wie auf manchen mittelalterlichen Darstellungen. Mit der Linken zeigt Jesus auf den Boden, wo er dem Bibelbericht nach gezeichnet hatte. Zugleich dürfte damit auf die Wurfgeschosse als die Instrumente der unvollkommenen, irdischen Gerichtsbarkeit angespielt sein. Es folgen die junge Frau mit umflortem, tieftraurigem Blick, und eine Gruppe von Männern, die das Geschehen tief ergriffen zu debattieren scheinen. Gemeint sind offensichtlich die Apostel, angeführt rechts vorn vom heiligen Petrus. Der zur Seite gezogene Vorhang gibt dahinter den Blick in den Tempel frei, in dem Jesus dem Bibelbericht nach predigte, als man die Frau vor ihn führte. Gemäß der Konvention hat Cranach ihn wie eine Kirche gestaltet. Die geflügelte Cranachschlange mit dem Ring im Maul ist direkt über dem Bogen wie eine Bauzier eingefügt.
Infrarotaufnahmen weisen nach, dass die Erzählung die ersten hundert Jahre der Existenz des Bildes noch dramatischer zugespitzt war. Cranach zeigte die Hand der Frau in diejenige von Christus gelegt, was die Verbindung von Erlöser und Sünderin noch inniger erscheinen ließ. Am Anfang des 17. Jahrhunderts empfand man diese körperliche Verbindung der Gestalten als unschicklich, zumal das Bild seinerzeit an einen katholischen Hof gelangt war. 1633 hatte der bayerische Kurfürst Maximilian I. es für seine Kammergalerie erworben. Er ließ noch weitere Veränderungen vornehmen, die in der Folgezeit jedoch wieder entfernt wurden.
Für das Halbfigurenformat hat Cranach sich an venezianischen Vorbildern orientiert. Er hat es seit den Jahren um 1520 immer wieder gerade für seine so genannten Lehrbilder genützt, in denen der Reformation wichtige Themen besonders plakativ und eindringlich in Szene gesetzt wurden – oft in Verbindung mit den entsprechenden Bibeltexten, wie sie auch hier ursprünglich vorhanden waren.
Bemerkenswert ist das Gemälde nicht nur durch sein im Kontext der Lehrbilder frühes Datum und durch die sorgfältig austarierte Komposition, sondern auch durch die hohe Qualität seiner Ausführung und die vielen Details, in denen sich die neue Formensprache der Renaissance Ausdruck verschafft.
Matthias Weniger
Dr. Matthias Weniger ist wissenschaftlicher Referent für Skulptur und Malerei vor 1550 im Bayerischen Nationalmuseum (BNM) München und damit zugleich für die fachliche Betreuung der Fränkischen Galerie auf der Festung Rosenberg, einem Zweigmuseum des BNM, zuständig.
Fränkische Galerie
Festung 1
96317 Kronach
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