Coburg - Kunstsammlung Veste Coburg

Ungleiches Paar (Die verliebte Alte)

Die zahnlose Alte hat ihr weit ausgeschnittenes Dekolleté mit einer goldenen Kette dekoriert, ihre mit Fingerringen besteckte Linke stützt einen üppigen Geldsack, den der gutgekleidete Jüngling ihr gegenüber zu ergreifen scheint, derweil sie ihm den Bart krault.

Oder ist der Mann ein Freier, der den Geldbeutel der Alten für die Liebesdienste der Dritten im Bild auftretenden Person überreicht? An der Vorderseite eines Tisches, auf dessen in steiler Aufsicht wiedergegebener Platte ein Stangenglas steht, nähert sich eine etwas züchtiger gekleidete junge Frau, in der einen Hand eine Zinnkanne, in der anderen ein Maigelein, in dem sie eine Erfrischung zu kredenzen beabsichtigt.

Das ungleiche Paar als moralische Verfehlung zu geißeln und zu verspotten, wurde in der Kunst des späten 15. Jahrhunderts mit den Darstellungen des Hausbuchmeisters bildwürdig. Weitere deutsche, aber auch flämische oder italienische Künstler griffen in der Folge das Thema in Malerei und Graphik auf, wobei meist der ebenso lüsterne wie täppische Alte einer jungen Buhlschaft gegenüberstand. Aber: "Die buolschafft ist eym jeden stand / Gantz spötlich, närrisch und eyn schand / Doch vil schäntlicher ist sie dann / so buolen dunt allt wib und mann", schrieb Sebastian Brant in seinem 1494 erschienenen Narrenschiff. In diesem Sinne stellte Cranach seine ungleichen Liebhaber, die seit 1522 mit etwa zwei Dutzend Beispielen in seinem Œuvre nachzuweisen sind, gerne paarweise und mit vertauschten Rollen vor. So wurde Cranach im Jahre 1540 im Torgauer Schloss für zwei Tafelgemälde, "darauf zwei Buhlschaften gemalth" mit 23 Gulden und 17 Groschen entlohnt. Auch das hier gezeigte Gemälde könnte ein Gegenstück gehabt haben. Im Inventar der Fürstlich Friedensteinschen Kunstkammer in Gotha aus dem Jahr 1717, in dem das heute in Coburg befindliche Bild erstmals nachzuweisen ist, heißt es über "Schilderey und Gemälthe in diesem mittleren Gemach": "Über der Thür (…) ein altes Weib welches einen jungen Mann caressiert, und ihm einen Beutel mit Geld in die Hände giebt, wobei ein junges Mädchen mit einem Trinkgefäß zu stehen". In unmittelbarer Nachbarschaft hing "ein Gemälthe auf Holz, wie ein alter Mann ein junges Mädchen caressiert und sie ihm den Beutel ausfeget." Einmal fasste der Maler die Varianten sogar auf einem Gemälde zusammen und fügte den beiden unmoralischen ungleichen Paaren ein drittes mit zwei gleichaltrigen Liebenden hinzu (Dresden).

Moralisierendes Alltagsszenen waren eigentlich kein Thema der Cranach-Werkstatt. Kritik an der der Buhlschaft generell und Spott über deutliche Altersunterschiede bei den Buhlenden zählten für den im Renaissance-Humanismus verwurzelten Wittenberger Maler zum Kreis der "Weibermacht", zu dem auch Motive des Alten Testaments gehören, wie die Geschichte von Loth und seinen Töchtern, oder die in der Antike angesiedelte Erzählung von Aristoteles und Phyllis.

Über die Datierung und die Zuschreibung des Bildes herrscht noch keine vollständige Klarheit. Das Bild zeigt eine gut sichtbare, energische Unterzeichnung auf, was gegen eine spätere Kopie nach einem Gemälde von Cranach d.Ä. spricht. Die Glätte der Malerei und koloristische Aspekte lassen an eine Ausführung durch Lucas Cranach d. J. denken und an eine Datierung in die zweite Häfte der 1540er Jahre. Eine nahezu identische Version des Gemäldes befindet sich in der Georgischen Nationalgalerie in Tiflis.

Klaus Weschenfelder

Dr. Klaus Weschenfelder war 2002 bis 2018 Direktor der Kunstsammlungen der Veste Coburg.

Hier finden Sie dieses Werk:

Kunstsammlung Veste Coburg
Veste Coburg
96450 Coburg

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Eckdaten zum Werk:

Lucas Cranach d. J. (?), um 1540/45, Öl auf Holz

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