Lutherstadt Wittenberg - Cranach-Hof Markt 4

Passional Christi und Antichristi

Passional Christi und Antichristi, 13. Antithese: Christus fährt zum Himmel – Der Papst stürzt kopfüber in die Hölle, In: Der Erste Theil Der Bücher / Schrifften / vnd Predigten des Ehrwirdigen  Herrn / D. Martin Luthers …, Eisleben, Urban Gaubisch 1564

Nach Luther

Der Erste Theil Der Bücher / Schrifften / vnd Predigten des Ehrwirdigen  Herrn / D. Martin Luthers … Eisleben, Urban Gaubisch 1564. Mit einer Vorrede Joannis Aurifabri.

Martin Luthers letzte Reise führte ihn Ende Januar 1546 nach Eisleben. Unter seinen Begleitern befand sich Johannes Aurifaber (um 1519-1575). Aurifaber war 1545 in Luthers Haus gezogen und diente ihm als „Famulus“, war also Luthers letzter Gehilfe und Mitarbeiter.

Nach Luthers Tod und dem 1547 von den Protestanten verlorenen Schmalkaldischen Krieg setzten theologische Flügelkämpfe ein, vor allem zwischen den Anhängern Philipp Melanchthons und jenen, die meinten, dass Melanchthon mit seinen realpolitischen und theologischen Kompromissen vom ursprünglichen Weg Luthers abweiche. Zu diesen „wahren“ Lutheranern (Gnesiolutheraner) zählte sich auch Aurifaber. In der Folgezeit versuchte er, mit zahlreichen Veröffentlichungen Luthers Erbe zu schützen. Im Auftrag des inzwischen in Weimar residierenden sächsisch-ernestinischen Hofes gab er ab 1553 gemeinsam mit dem Wittenberger Reformator Georg Rörer die zwölfbändige Jenaer Lutherausgabe heraus. Rörer hatte zuvor, noch zusammen mit Luther, die Wittenberger Ausgabe der Lutherschriften betreut.

Doch 1561 trennte sich der Weimarer Hof von den Gnesiolutheranern, auch Aurifaber erhielt seinen Abschied. Er ging nach Eisleben. Dort brachte er noch weitere, die Wittenberger und Jenaer Ausgaben ergänzende Luthertexte in Umlauf. Berühmt wurde Aurifaber vor allem durch die Veröffentlichung von Luthers Tischreden.

1564/1565 ließ er bei dem Eislebener Drucker Urban Gaubisch eine zweibändige Ausgabe mit deutschen Büchern, Schriften und Predigten Luthers aus den Jahren 1516 bis 1538 drucken. Ein Exemplar des ersten Bandes erhielt die Cranach-Stiftung als Vermächtnis der Apothekerin Elisabeth E. Begrich (1942-2014). Das Buch befand seit vielen Jahren im Besitz der Familie Begrich und war 1995 sorgsam restauriert worden.

Der erste Band enthält unter anderem zwei Schriften, die mit Holzschnitten aus der Cranach-Werkstatt illustriert wurden: Das „Passional Christi vnd Antichristi“ und „Das  Bapstthumb mit seinen Gliedern / abgemalet vnd beschrieben“. Aurifaber hatte in Wittenberg einige Zeit in der Nähe der Cranach-Werkstatt gelebt und kannte daher wohl die Wirkmächtigkeit der Cranach’schen Kunst für Luthers Theologie.

Das kirchenpolitisch brisante Passional erschien erstmals 1521, damals jedoch anonym. Heute wird der Druck dem Wittenberger Drucker Johannes Grunenberg zugeschrieben, die Texte Philipp Melanchthon (Bibelzitate) und Johannes Schwertfeger (Zitate aus dem kanonischen Recht). Trotzdem zählen auch neuere Luther-Bibliographien diese Veröffentlichung zu den Lutherschriften (Benzing 1989, 1994). Bestenfalls für das kurze Nachwort kann Luther, der damals vermutlich nicht in Wittenberg weilte, in Anspruch genommen werden. Doch das Passional muss vor dem Hintergrund von Luthers Auseinandersetzung mit dem Papsttum gesehen werden. Luther erkannte im römischen Papst das in der apokalyptischen Endzeit wirkende Böse, den Gegenspieler Christi - den Antichrist. Dieses Thema nehmen die Texte und Holzschnitte des Passionals auf: In 13 antithetischen Bildpaaren werden Szenen aus dem Leben und Wirken Christi den Szenen aus dem Leben des Papstes gegenübergestellt: Christus wäscht seinen Jüngern die Füße – der Papst lässt sich die Füße küssen; Christus vertreibt die Händler aus dem Tempel – der Papst verkauft Ablassbriefe. Die letzte Doppelseite zeigt Christi Himmelfahrt und den von teuflischen Wesen begleiteten Höllensturz des Papstes (Abbildung).

Die Streitschrift traf kurz nach Veröffentlichung der 95 Thesen den Zeitgeist. Grunenberg druckte mehrere Auflagen des Passionals, außerdem erschienen noch im gleichen Jahr Nachdrucke in Straßburg und Erfurt. 

Der Eislebener Drucker Urban Gaubisch nahm sich Grunenbergs Ausgabe B zum Vorbild. Für 24 Holzschnitte wurden die Druckstöcke aus der Cranach-Werkstatt wiederverwendet. Blatt 7 und Blatt 17 zeigen seitenverkehrte Nachschnitte.  Der Folioband (ca. 20 cm x 31,5 cm) ist bedeutend größer als die Erstausgabe. Urban Gaubisch behalf sich, indem er die Drucke um ornamentale Randleisten ergänzte. Das Passional traf anscheinend auch in der Nachauflage den Zeitgeist, denn Papstkritik und apokalyptische Endzeitvorstellungen waren in dem von Religionskriegen, Pestseuchen und Teuerungswellen heimgesuchten 16. Jahrhundert weit verbreitet.

Marlies Schmidt, Kunsthistorikerin, Kuratorin und stellvertretende Geschäftsführerin der Cranach-Stiftung Wittenberg

Literatur:

Schnabel, Hildegard (Hrsg.): Passional Christi und Antichristi. Berlin 1972

Benzing, Josef/Claus, Helmut (Bearbeiter): Lutherbibliographie: Verzeichnis der gedruckten Schriften Martin Luthers bis zu dessen Tod. Baden-Baden, Bd. 1, 2. Auflage 1989, Bd. 2 1994

Schorn-Schütte, Luise: Die Reformation: Vorgeschichte, Verlauf, Wirkung. München 2016

Koepplin, Dieter/Falk, Tilman: Lukas Cranach: Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphik. Bd. 1, Basel 1974, Bd. 2, Basel, Stuttgart 1976

Kunz, Armin/Strehle, Jutta (Bearbeiter): Druckgraphiken Lucas Cranachs d. Ä.: Im Dienst von Macht und Glauben. Lutherstadt Wittenberg 1998

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Markt 4
06886 Lutherstadt Wittenberg

weitere Informationen

Eckdaten zum Werk:

Lucas Cranach d. Ä./Werkstatt, 1521, Holzschnitt

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