Die Malerfamilie Cranach

Die Malerfamilie Cranach

Lucas Cranach der Ältere

Lucas Cranach d. Ä. gilt bis heute als einer der bedeutendsten und produktivsten Maler der Neuzeit. Schon zu seinen Lebzeiten lobte man die Qualität seiner Werke und die Effizienz seiner Werkstatt. Von der „wunderbaren Schnelligkeit“ mit der Lucas Cranach d. Ä. seine Gemälde anfertigte und von der Naturnähe seiner Werke war z.B. schon sein Zeitgenosse Christoph Scheurl begeistert. Der Wittenberger Universitätsprofessor schreibt 1508, die von Cranach dargestellten Personen könne man nicht nur sofort erkennen, sie schienen sogar zu leben!

Frühe Jahre in Kronach und Wien

Lucas Cranach d. Ä. wurde vermutlich 1472 im fränkischen Kronach als Sohn des Hans Maler geboren. Dessen Nachname könnte einen Hinweis auf den Berufsstand des Vaters geben, bei dem Lucas wohl auch die erste Ausbildung erfahren hat.

Die frühen Jahre des Lucas Cranach liegen weitgehend im Dunkeln. Lediglich im Zusammenhang mit einer Beleidigungsklage seines Vaters gegen den Ratsherrn Kunz Donat und dessen Familie wird sein Name 1495 bis 1498 im Gerichtsbuch der Stadt Kronach kurz greifbar. Aus den Gerichtsakten geht immerhin hervor, dass sich der junge Cranach zeitweise außerhalb Kronachs aufhielt. Die Stationen seiner vermutlichen Wanderschaft hingegen lassen sich leider nicht mehr nachverfolgen. Es spricht einiges dafür, dass sich der junge Künstler schon bald nach dem Verlassen Kronachs nach seiner Geburtsstadt benannt hat.

Biografisch fassbar wird Lucas Cranach erst wieder um das Jahr 1500 in Wien. Sowohl die überlieferten Lateinkenntnisse des nun knapp 30-Jährigen, als auch der Umstand, dass er bald schon Anschluss an das dortige Gelehrtenmilieu fand, von dem er zudem die ersten Porträtaufträge erhielt, deuten darauf hin, dass er vor seiner Wiener Zeit selbst an einer Universität immatrikuliert gewesen sein könnte.

Seine frühesten erhaltenen Werke kennzeichnet eine energisch bewegte, farbintensive Formensprache. Eindrucksvoll führt dies seine dramatisch in Schrägansicht gestaltete Kreuzigungsdarstellung (1503) in der Alten Pinakothek in München vor Augen. Die detaillierte, expressive Ausarbeitung des landschaftlichen Hintergrunds lässt auf eine Nähe Cranachs zu den Meistern der Donauschule schließen.

Aufstieg zum Hofmaler in Wittenberg

1505 wurde Lucas Cranach d. Ä. von Kurfürst Friedrich dem Weisen als Hofmaler nach Wittenberg berufen. Neben der Anfertigung von Porträts und Gemälden sakraler und profaner Thematik umfasste dieses Amt ein weites Spektrum an künstlerischen Aufgaben: Das Entwerfen von Medaillen, Wappen, Kostümen und Festdekorationen gehörte ebenso dazu, wie das Bemalen von Schlitten und Wagen oder das Fassen von Möbeln. Ein Grundgehalt von 100 Gulden im Jahr erhielt er für seine stete Einsatzbereitschaft und Präsenz bei Hofe. Die tatsächlich erbrachten Leistungen wurden zusätzlich bezahlt. Cranach sollte dieses Amt fast 50 Jahre lang unter drei Fürsten ausführen. Diese lange Zeitspanne unterstreicht die Wertschätzung, die man Cranach als Künstler und Person entgegenbrachte.

Im Jahr 1508 wurde dem Hofkünstler von seinem Dienstherrn ein Wappen verliehen, das eine gekrönte Schlange mit Fledermausflügeln und einem Rubinring im Maul zeigt. Seitdem nutzte es Cranach als Signet seiner Werke. Im selben Jahr hielt der Rektor der Wittenberger Universität, Christoph Scheurl, die eingangs zitierte Lobrede auf den Hofmaler Lucas Cranach. Wohl 1512 heiratete der Künstler Barbara, die Tochter des Gothaer Ratsherren Brengbier. Die Hochzeit fand vermutlich in der Vaterstadt der Braut statt. Aus dieser Verbindung gingen insgesamt fünf Kinder hervor. Die erstgeborenen Söhne Hans und Lucas arbeiteten später ebenfalls in der väterlichen Werkstatt. Spätestens ab 1520 betrieb der Hofmaler Cranach die einzige Apotheke Wittenbergs; zudem besaß er zahlreiche Immobilien. 1528 war er der reichste Bürger der Stadt. Welches Ansehen er genoss, zeigte sich auch in seiner Wahl zum Bürgermeister in den Jahren 1537, 1540 und 1543. Von 1519 bis 1549 war Cranach stetiges Ratsmitglied.

Neben der Ausstattung zahlreicher Kirchen mit Altargemälden nahmen sowohl Bildnisaufträge hochgestellter Persönlichkeiten als auch mythologische und allegorische Szenen großen Raum im Schaffen des Malers und seiner Werkstatt ein. Vor allem mit weiblichen Akten, wie der vielfach und variantenreich wiederholten Darstellung der Göttin Venus mit dem Amorknaben, bediente Cranach den Geschmack des Publikums. Seine Frauengestalten mit ihrer eleganten, überschlanken Grazie sind bis heute unverwechselbar; sie kommen dem heutigen Schönheitsideal verblüffend nahe.

Cranachs herausragende Stellung innerhalb der zeitgenössischen Künstlerschaft lässt sich anhand eines Auftrags besonders gut einordnen: Kaiser Maximilian beauftragte ihn 1514, sein Gebetbuch mit Randzeichnungen auszustatten – an der Seite so bedeutender Maler wie Albrecht Dürer, Hans Burgkmair oder Albrecht Altdorfer.

Nur mit Hilfe seiner gut geschulten und organisierten Werkstatt konnte Cranach seinen zunehmend vielfältigen und umfangreichen Aufgaben nachkommen, die sich nach dem Thesenanschlag Luthers noch erweitert hatten.

Cranach und Luther

Eine besonders wichtige Rolle spielte Lucas Cranach der Ältere als Maler für protestantische Auftraggeber. So lieferte er bereits 1519 die Holzschnitt-Illustrationen für das erste protestantische Flugblatt. Er gab dem führenden Kopf der Reformation, Martin Luther, gleichsam „ein Gesicht.“ Wie kein anderer prägte Cranach mit seinen in großer Zahl produzierten Luther-Bildnissen, die den Imagewandel vom Augustinermönch zum wohlbestallten, verheirateten Reformator nachvollziehen, bis heute unsere Vorstellung von Aussehen und Wesen Luthers. Darüber hinaus besorgte Cranach die Drucklegung von Luthers Bibelübersetzung. In seinen Werken schuf er eine Bildsprache, die sich explizit protestantischen Themen wie der Erlösung nach dem Sündenfall annahm. Der Reformationsaltar aus dem Jahr 1539 in St. Wolfgang in Schneeberg ist dafür ein eindrucksvolles Beispiel.

Aber auch auf persönlicher Ebene standen sich Luther und Cranach nahe. So war der Maler Trauzeuge bei der mehr als umstrittenen Eheschließung Luthers mit Katharina von Bora; dieser wiederum war Pate von Cranachs jüngster Tochter Anna. In den Kunstsammlungen auf der Wartburg bei Eisenach legen die charaktervollen Porträts der Eltern Martin Luthers aus dem Jahr 1527 Zeugnis von der engen Verbindung der beiden Familien ab.

Wie viele Künstler der Umbruchszeit zu Beginn des 16. Jahrhunderts bedienten Cranach und seine Werkstatt jedoch weiterhin auch altgläubige Auftraggeber, wie die umfangreichen Arbeiten für Kardinal Albrecht von Brandenburg bezeugen. Für die Stiftskirche in Halle lieferte Cranach nicht weniger als 156 Gemäldetafeln – wohl einer der umfangreichsten Aufträge der deutschen Kunstgeschichte. Es spricht für den Geschäftssinn des Malers, dass er sich nicht auf ein bestimmtes Klientel festlegte.

Letzte Lebensjahre

Lucas Cranach d. Ä. war durch sein Hofamt während seiner gesamten Karriere eng mit den sächsischen Kurfürsten verbunden. Friedrich der Weise hatte Cranach nach Wittenberg geholt, auch seine Nachfolger Johann der Beständige und Johann Friedrich der Großmütige behielten ihn in ihren Diensten. Nach der Schlacht bei Mühlberg 1547, in der die protestantischen Fürsten, die sich im Schmalkaldischen Bund zusammengefunden hatten, eine Niederlage erlitten, geriet Johann Friedrich in die Gefangenschaft des habsburgischen Kaisers Karls V. Nach anfänglichem Zögern folgte der betagte Maler seinem Dienstherren 1550 ins Exil nach Augsburg und Innsbruck.

Drei Jahre später, am 16. Oktober 1553, verstarb Lucas Cranach d. Ä. im Alter von 81 Jahren in Weimar, wohin Johann Friedrich, nach seiner Restitution durch den Kaiser, übergesiedelt war. Cranach wurde auf dem Jakobsfriedhof beigesetzt. Das Wohnhaus seiner letzten Lebensjahre und seine Grabstätte können bis heute in Weimar besichtigt werden.
 

Hans Cranach

Hans Cranach kam als ältester Sohn des Malers Lucas Cranach d. Ä. und seiner Frau Barbara Brengbier um 1513 in Wittenberg zur Welt. Die Eltern hatten vermutlich 1512 geheiratet, danach kamen in rascher Folge die Söhne Hans und Lucas zur Welt, denen die drei Töchter Barbara, Ursula und Anna folgten. Ursula kehrte später nach Gotha, in die Vaterstadt ihrer Mutter zurück, wo sie in zweiter Ehe den Bürgermeister Georg Dasch heiratete. Bis heute heißt das Haus der Familie Brengbier, in dem später Ursula mit ihrer Familie wohnte, „Cranach Haus.“

Über die frühe Kinder- und Jugendzeit der Cranachkinder ist wenig bekannt. Die Forschung geht jedoch davon aus, dass die Söhne um 1527/1529 in die florierende Werkstatt des Vaters eintraten. Hans scheint als Erstgeborenem und aufgrund seines besonderen Talents eine Ausnahmestellung in der väterlichen Werkstatt zugekommen zu sein. Die wenigen Werke, die sich von seiner Hand erhalten haben, weisen zusätzlich zum Werkstattsignet der geflügelten Schlange sein Monogramm auf.

Für den ältesten Sohn war offensichtlich eine akademische Ausbildung vorgesehen. Jedenfalls schrieben ihn die Eltern bereits 1517 an der Universität Wittenberg ein. Es war eine durchaus übliche Praxis angesehener Bürger, für ihre Söhne schon im Kindesalter einen Platz an der Universität zu reservieren. Nach heutigem Kenntnisstand hat Hans jedoch dort kein Studium aufgenommen.

1537 brach er stattdessens zu einer Studienreise nach Italien auf. Sein in dieser Zeit entstandenes Zeichenbuch gewährt einen authentischen und sehr persönlichen Einblick in sein künstlerisches Schaffen. In unregelmäßiger Folge erscheinen Sinnsprüche, Aufzeichnungen zu Reiserouten, Landschaftszeichnungen, Porträts und Studien. Auch Reisegefährten und einige der späteren Besitzer des Buches haben sich mit Sprüchen und Zeichnungen verewigt.

Hans kehrte nicht in seine Heimat zurück. Noch im selben Jahr starb er am 10. Oktober im Alter von nur 24 Jahren in Bologna.
 

Lucas Cranach der Jüngere

Lucas Cranach d.J. wurde als zweiter Sohn des Malers Lucas Cranach d.Ä. am 4. Oktober 1515 geboren. Wie sein älterer Bruder Hans scheint er ebenfalls von Kindesbeinen an in der väterlichen Werkstatt tätig gewesen zu sein.

Frühe Jahre und Eheschließungen

Während die wenigen erhaltenen Werke seines Bruders durch eine eigenständige Formensprache und das zugesetzte persönliche Monogramm erkennbar sind, blieb Lucas d.J. dem vom Vater geprägten Werkstattstil verpflichtet.

Lucas Cranach d.J. war zweimal verheiratet. In erster Ehe mit Barbara Brück, der Tochter des sächsischen Kanzlers Georg Brück, in zweiter Ehe mit Magdalena Schurff, der Tochter des Medizinprofessors Augustin Schurff, einer Nichte Philipp Melanchthons. Aus den beiden Verbindungen gingen insgesamt neun Kinder hervor, deren Nachkommenschaft wiederum sehr zahlreich war. So gehören zu den nachfolgenden Generationen, den sogenannten „Cranachiden“, berühmte Persönlichkeiten wie Johann Wolfgang von Goethe oder die Brüder August Wilhelm und Friedrich Schlegel.

Außer durch eine erfolgreiche Heiratspolitik konnte Lucas Cranach d.J. sein gesellschaftliches Ansehen auch durch zahlreiche öffentliche Ämter festigen. Von 1549 bis 1567 gehörte er dem Wittenberger Stadtregiment an. In diesen Jahren übernahm er zudem zeitweise das Amt des Stadtkämmerers. 1565 und 1567 war er Bürgermeister.

Übernahme des Werkstattbetriebes

Mit der Reise nach Italien und dem frühen Tod seines Bruders Hans scheint Lucas d.J. 1537 innerhalb der Werkstatt in eine Führungsposition aufgestiegen zu sein. Mit dieser Umstrukturierung war auch ein Wandel des Signets verbunden. Die Schlange wurde von nun an nicht mehr mit senkrecht aufgestellten Fledermausflügeln, sondern mit waagerecht angelegten Vogelflügeln gezeigt. Ob diese veränderte Signatur die veränderten Werkstattverhältnisse kenntlich machen sollte, oder, wie häufig in der älteren Forschung berichtet, als Zeichen des familiären Trauerfalls anzusehen ist, sei dahingestellt.

Mit dem Weggang des Vaters aus Wittenberg, erst ins Exil, später nach Weimar, oblag dem Sohn die Führung des Betriebs nun vollständig, ohne dass das Hofmaleramt auf ihn übertragen worden wäre. Auch nach dem Tod des Vaters 1553 erlangte er diese Würde nicht. Ähnlich wie sein Vater verhielt er sich diplomatisch, wenn es nun darum ging, die beiden nach der Reformation verfeindeten Linien des sächsischen Fürstenhauses mit Bildern zu versorgen. 1551 malte er für Moritz von Sachsen aus der albertinischen Linie, auf die nun die Kurfürstenwürde übergegangen war, zwei großformatige Herkulesbilder, in denen sich der Auftraggeber als Held feiern ließ. Kurz darauf entstand im Jahr 1555 für Johann Friedrich aus der ernestinischen Linie das Altarretabel für die Weimarer Stadtkirche St. Peter und Paul. Danach war der Maler aber vornehmlich für die kursfürstlichen Albertiner tätig.

Zeichnete sich die Cranach-Werkstatt unter Lucas d.Ä. durch ihre große Themenvielfalt aus, so ist nach der Übernahme durch Lucas d.J. eine Reduktion der Bildthemen festzustellen: Mythologisch-erotische Inhalte treten in den Hintergrund, es dominieren nun Bildnisse und Bilder mit explizit protestantischen Themen, wie das Epitaphgemälde des „Dessauer Abendmahls“ aus dem Jahr 1565, auf dem sich Persönlichkeiten der Reformationszeit wie Luther und Melanchthon um den Gottessohn versammelt haben.

Lucas Cranach d.J. wandte sich in den 1540er Jahren allmählich von dem konturbetonten und mit Lokalfarben arbeitenden Werkstattstil seines Vaters ab. Er bevorzugte kühlere Farben und offenere Flächen, die den Eindruck einer stärkeren koloristischen Ausgeglichenheit vermitteln. Bis zu seinem Tod im Jahr 1586 blieb er Wittenberg treu und wurde in der dortigen Stadtkirche beigesetzt. Nach seinem Ableben führte sein Sohn Augustin die Werkstatt weiter.
 

Weiterführende Literatur

  • Ausstellungskatalog: Apelles am Fürstenhof. Facetten der Hofkunst um 1500 im Alten Reich. Berlin 2010.
  • Ausstellungskatalog: Cranach der Ältere. Ostfildern 2007.
  • Ausstellungskatalog: Die Welt des Lucas Cranach (1472-1553). Ein Künstler im Zeitalter von Dürer, Tizian und Metsys. Brüssel 2010.
  • Hinz, Berthold: Lucas Cranach d. Ä. und seine Bildermanufaktur. Eine Künstler-Sozialgeschichte. München 1994.
  • Schade, Werner: Die Malerfamilie Cranach. Dresden 1974.
  • Schmidt, Marlies (Hrsg.): Maler Lucas aus Kronach. Lucas Cranachs frühe Jahre. Wittenberg 2011.