Cranach-Magazin

Aktuelles aus der Cranach-Forschung

Kein Luther-Bildnis ohne Cranach

Neue Forschungsergebnisse zu den Porträts Martin Luthers

Unser Bild von Martin Luther ist untrennbar mit den zahlreichen Porträts von Lucas Cranach dem Älteren und seiner Werkstatt verknüpft und hat sich durch diese bis heute in unser kollektives Gedächtnis eingeprägt. Mit dem fortschreitenden Erfolg der reformatorischen Bewegung wuchs auch das öffentliche Verlangen nach den Bildnissen Luthers. Cranachs produktive Werkstatt konnte dieses Bedürfnis mit einer hohen Zahl an Gemälden und Druckgraphiken bedienen, doch schon bald griffen auch andere Künstler die Cranach’schen Vorlagen auf, erweiterten und kopierten sie. Schon im ersten Jahrzehnt der Reformation entstand so eine Vielzahl unterschiedlichster Bildfindungen, deren Ursprung aber stets auf einen Entwurf Cranachs zurückging.

KKL_Print_Cover(1)
Print-Fassung des Kritischen Katalogs der Luther-Bildnisse (1519–1530), Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2023

Mit dem Kritischen Katalog der Luther-Bildnisse (1519–1530), kurz KKL, liegt nun erstmals ein auf Vollständigkeit abzielendes Verzeichnis der Bildnisse Martin Luthers vor. Die Ergebnisse dieses von der Leibniz-Gemeinschaft geförderten Forschungsprojekts stehen online im Rahmen des Cranach Digital Archive sowie in gedruckter Form zur Verfügung. Um der wissenschaftlichen Forschung und der interessierten Öffentlichkeit ein verlässliches Instrument zur kunst- und reformationshistorischen Beurteilung dieser wichtigen Bildbestände an die Hand zu geben, wurden die Porträts mit kunsttechnologischen und informationstechnologischen Mitteln neu untersucht und kunst- und reformationshistorisch kontextualisiert.

  • Der in fünf Bildnisgruppen gegliederte Katalog enthält 78 Gemälde und 39 druckgraphischen Werke. Damit konnte der Korpus der bisher in der Forschung für die Jahre 1519 bis 1530 bekannten Luther-Bildnisse, vor allem aus dem Bereich der Druckgraphik, deutlich erweitert und ausdifferenziert worden.
  • Der KKL behandelt die einzelnen Werke in insgesamt 95 auswertenden Texten, die Ergebnisse der Quellenrecherchen und kunsttechnologischen Untersuchungen zusammenführen und die Bildnisse auf dieser Grundlage kunst- sowie kirchenhistorisch einordnen. Die Texte wurden ausnahmslos von interdisziplinären Teams von mindestens zwei Autor*innen verfasst, die eine kunsthistorische und kunsttechnologische Expertise vereinen. Jeder der fünf Bildnisgruppen ist ein weiterer umfangreicher Aufsatz gewidmet, der die Bildnisse in einem größeren Kontext darstellt. Ferner wurden einleitende Texte, ein Forschungsüberblick sowie eine Darlegung der gewählten Methodik erarbeitet. Ein Literaturverzeichnis mit über 850 Einzelnachweisen ergänzt den Textteil.
  • Ein Anhang mit neun Gemälden und fünf Graphiken zeigt Werke, denen durch die Untersuchung eine Entstehung nach 1530 nachgewiesen werden konnte. Dabei konnten erstmals Kopien des frühen 20. Jahrhunderts als solche identifiziert werden.
  • Neue Quellenfunde haben es ermöglicht, Cranachs Bildnisse Luthers als „Junker Jörg“ genauer zu datieren. So wissen wir nun, dass Cranachs Holzschnitt mit dieser Darstellung vor dem 1. April 1522 entstanden sein muss. Außerdem ist eine Datierung der insgesamt sechs Auflagen dieses Einblattdrucks gelungen, die zeigt, dass die meisten der heute bekannten Abzüge erst nach Luthers Tod gedruckt wurden.
  • Erstmals wurden bisher für die Forschung nicht erschlossene Gemälde aus Privatbesitz untersucht.
  • Bekannte Luther-Bildnisse konnten durch kunsttechnologische Untersuchungen neu zugeschrieben werden, so etwa ein Holzschnitt-Bildnis Luthers, das bisher als ein Werk Hans Brosamers galt, durch den Vergleich mit der Unterzeichnung eines Gemäldes aber Georg Pencz zugewiesen werden konnte.

Screenshot 2024-03-04 095458

Online-Fassung des Kritischen Katalogs der Luther-Bildnisse (1519–1530) im Rahmen des Cranach Digital Archive: lucascranach.org/luther

Der Kritische Katalog der Luther-Bildnisse (1519–1530) eröffnet erstmals den direkten Zugang zu hochauflösenden Abbildungen aller untersuchter Bildnisse sowie die gesamte Dokumentation der Vielzahl an kunsttechnologischen Einzelergebnissen. Durch diese Transparenz stellt der KKL außerdem der kommenden Forschung einen enormen Materialfundus zur Verfügung, in der Hoffnung, auch in Zukunft bei der Entwicklung neuer wissenschaftlicher Fragestellungen von Nutzen sein zu können.

Daniel Görres