Cranach-Magazin
Aktuelles aus der Cranach-Forschung
Cranach in Motion
Digitale Animationen von Cranach-Gemälden und authentische Befunde beleben Torgauer Ausstellung - Ein echtes Muss für Cranach-Fans!
Gemälde aus der Wittenberger Cranach-Werkstatt gehörten in der ersten Hälfte zur Grundausstattung des Torgauer Schlosses. Neben Tafelgemälden waren es vor allem Wandmalereien, und Dekorationen an der Fassade, die von der Handschrift des Meisters kündeten und die künstlerische Grundlage für das Bildprogramm des politischen Zentrums der Reformation darstellten.
Abb. 1 Ausstellungsbanner
Die Dauerausstellung Standfest. Bibelfest. Trinkfest. Johann Friedrich der Großmütige – der letzte Ernestiner Kurfürst haucht den Kurfürstlichen Gemächern von Schloss Hartenfels neues Leben ein. Im Zentrum der Präsentation stehen der Hausherr, Johann Friedrich der Großmütige und seine Gemahlin, Sibylle von Kleve. Beide berichten aus dem alltäglichen Leben am Hof und den besonderen zeitgeschichtlichen Begebenheiten am Vorabend der entscheidenden Schlacht bei Mühlberg an der Elbe.
Mithilfe neuester Technik und den einzigartigen Portrait-Darstellungen Lucas Cranachs d. Ä. und d. J. gelang es, das Kurfürstenpaar zum Sprechen zu bringen. Besucher erleben die reproduzierten Gemälde nun nicht mehr als bloße Abbilder sondern als lebendige Zeugnisse einer vergangenen Zeit, die eine Brücke in die Gegenwart schlagen und damit neue Wege der Kulturvermittlung ebnen.
Abb. 2 Animation der Sibylle von Cleve im Gemach der Kurfürstin. Foto: Alexander Bley
Um das Wirken der Cranach-Werkstatt im Torgauer Schloss angemessen zu vergegenwärtigen, wurden zudem virtuelle Rekonstruktionen angefertigt, die einen intimen Blick in die Stube des Kurfürsten ermöglichen und dabei auch eine Vorstellung von der möglichen Anordnung und Anbringung der Werke des Wittenberger „Meisters“ geben, der 1546 im Torgauer Schloss über eine „Malerstube“ mit einem persönlichen Schlafgemach und Unterbringungen für 40 Gesellen verfügte.
Abb. 3 Virtuelle Rekonstruktion der Stube des Kurfürsten. Grafik: Arte 4 D
Zum Wirkungsbereich der Werkstatt zählte auch die Anfertigung so genannter Tüchlein. Gemeint waren bemalte Leinentücher, die auf Leisten gespannt an der Decke fixiert wurden. In der Torgauer Ausstellung wird das Fragment eines Tüchleins aus dem Colditzer Schloss gezeigt. Es ist das einzige bekannte Beispiel einer Tüchleinmalerei, das der Cranach-Werkstatt bisher zugeschrieben werden konnte. Als Tüchleinmalerei bezeichnet man Malerei, die durch dünn aufgetragene Wasserfarben auf feinem, ungrundierten Gewebe aufgetragen wurde und daher die Struktur des Textils durchscheinen lässt. Das Verfahren fand nicht nur in der Malerei der Dürer-Werkstatt Anwendung, sondern wurde in Werkstätten professionalisiert, so dass großformatige Tücher angefertigt werden konnten, die ähnlich wie gewebte Teppiche zur repräsentativen Ausschmückung des Raumes gebraucht werden konnten. Genau wie für das Colditzer Schloss und dessen Ausstattung zu Lebzeiten Friedrichs des Weisen, so sind auch für den heutigen Flügel B und die darin befindlichen Kurfürstlichen Gemächer und dessen bauzeitliche Ausstattung bemalte Tüchleinbespannungen an den Decken der Stuben belegt. Leider haben sich davon keine Fragmente erhalten, so dass dankbar auf die Colditzer Leihgabe zurück gegriffen wurde. In der digitalen Rekonstruktion (Abb. 2) wurde auf die sogenannte Engleindecke im 2. Obergeschoss Bezug genommen, die im Torgauer Haus des Bürgermeister Ringenhain (heute Breite Straße 4) als Deckenmalerei ein Nachleben im 16. Jahrhundert gefunden wird und oft als Vergleichsbeispiel herangezogen wird.
Vervollständigt wird das Portfolio des Cranach-Bestandes durch die Wandmalereibefunde. Weithin bekannt ist der Groteskenfries in der Spiegelstube über dem Großen Wendelstein aus den 1530er Jahren, der unlängst durch die Freilegung einer illusionistischen Portalrahmung und –bekrönung in einen neuen Gesamtzusammenhang versetzt werden konnte.
Abb. 4 Groteskenfries und illusorische Portalumrahmung in der Spiegelstube über dem Großen Wendelstein. Foto: Daniela Arrnold
Ungewöhnliche Befunde werden auch in der Dauerausstellung in den Kurfürstlichen Gemächern präsentiert. In der Stube des Kurfürsten ist in der Fensterbogenlaibung eine Groteske inmitten einer Blattranke zu erkennen, die Ähnlichkeiten mit Cranachs Illustrationen im Gebetbüchlein Kaiser Maximilians aufweist. Weitere Befunde befinden sich in der Tafelstube im Flaschenturm: Über einem aufwendig gestalteten, repräsentativen Portal befindet sich versteckt zwischen späteren Malschichten die erste Fassung, die den Kopf eines Ritters zeigt und an das Motiv eines bewaffneten Riesen anknüpft, der sich nur wenige Meter entfernt am kirchenseitigen Wendelstein fragmentarisch erhalten hat und in einem Ausschnitt präsentiert wird.
Abb. 5 Groteske Blattmaske in der Stube des Kurfürsten. Foto: Nadja Kühne
Während die Befunde in der Spiegelstube einen verhältnismäßig großflächigen und anschaulichen Eindruck der ursprünglichen malerischen Ausstattung vermitteln, offenbaren die Sichtfenster in den Kurfürstlichen Gemächern lediglich fragmentarische Zustände der einstigen Ausmalung. Rätselhaft bleibt daher insbesondere die Interpretation der Reste der figürlichen Darstellungen in der Tafelstube im Flaschenturm.
Überzeugen Sie sich daher selbst von der einzigartigen Qualität der Befunde und helfen Sie mit, das Rätsel zu lösen.
Abb. 6 Kopf eines Mannes über dem Portal in der Tafelstube
Weiterführende Literatur:
Standfest. Bibelfest. Trinkfest. Johann Friedrich der Großmütige – Der letzte Ernestiner Kurfürst, Aufsatzband zur Dauerausstellung in den Kurfürstlichen Gemächern von Schloss Hartenfels Torgau, hrsg. von Lydia Klöppel im Auftrag des Landkreises Nordsachsen, Schnell und Steiner, Regensburg 2018.